Rede von Dr. Günter Schiller zum Haushaltsplan 2012/13 und Haushaltssanierungskonzept im Rat der Stadt Wuppertal am 7. Mai 2012
Rede von Dr. Günter Schiller zum Haushaltsplan 
2012/13 und Haushaltssanierungskonzept im Rat der Stadt Wuppertal am 7. Mai 
2012
I. Der Weg in die Schulden
Dies ist zweifellos ein 
wichtiger Tag in der Geschichte dieser Stadt. Die Ratsmehrheit will in einem 
Kraftakt den hoch defizitären Haushalt innerhalb von zehn Jahren ausgleichen. 
Damit würde eine Forderung erfüllt, die wir seit unserem Bestehen 
gebetsmühlenhaft erhoben haben. Ende gut, alles gut? Für uns jedenfalls nicht. 
Die WfW hat von Anfang an den Sprung in die Verschuldung kritisiert und 
vor den negativen Folgen gewarnt. Bewirkt haben diese Warnungen leider nichts. 
Was haben wir uns nicht all die Jahre anhören müssen. Im Haushalt gebe es ja nur 
70 Mio. Euro an freiwilligen Leistungen. Selbst wenn man die alle streiche, 
würde das nicht ausreichen. Dass man auch Steuern erhöhen kann und notfalls 
muss, dass man die Erfüllung von Pflichtaufgaben modifizieren kann, war offenbar 
im Rathaus nicht bekannt. Und im Übrigen habe Wuppertal diese Defizite nicht 
selbst verursacht, schuld daran seien Land und Bund, die den Städten immer neuen 
Aufgaben aufgebürdet hätten. Das mag sogar teilweise richtig sein, hilft aber 
wenig, wenn man dabei auf taube Ohren stößt. In der Schlussphase vor der 
Landtagswahl wurde dann versucht, die Landesregierung mit schwerem Geschütz in 
die Knie zu zwingen: „Raus aus den Schulden“, „Rettungsschirme“ und 
„Schuldentilgungsfonds“ waren die geflügelten Parolen. Der Ministerpräsident 
stellte sich jedoch taub.
II. Frischer Wind vom 
Land
Wie durch ein Wunder hat sich die Konfrontation nach der 
Landtagswahl verflüchtigt. Der neuen Landesregierung ist es gelungen, die Städte 
aus ihren wolkigen Protesthöhen herauszuholen und ihnen eine harte Landung in 
der Realität aufzuzwingen. Die Lösung: das Stärkungspaktgesetz. Das heißt 
konkret: (1) Die hoch verschuldeten Kommunen müssen ihre strukturellen 
Haushaltsdefizite nun in eigener Verantwortung beseitigen. (2) Auch die 
aufgelaufenen Schulden bleiben ihnen erhalten. (3) Das Land gibt Flankenschutz, 
indem es die Haushaltsdefizite in der Konsolidierungsphase großenteils oder 
vollständig übernimmt. Damit wird verhindert, dass die Schulden der Kommunen in 
dieser Phase weiter massiv ansteigen. Die Hilfe für Wuppertal beträgt bis 2020 
etwa eine halbe Milliarde Euro. Sie ist beachtlich, bleibt jedoch weit hinter 
den ursprünglichen Forderungen zurück. Die meisten Städte haben das frugale 
Angebot der Landesregierung nur mit spitzen Fingern angefasst. Zum Teil haben 
sie offen ihre Zweifel betont, ob das Verfahren durchzuhalten sei; Zweifel 
übrigens, die wir teilen. Die Ratsmehrheit in Wuppertal hat das Gesetz dagegen 
sofort euphorisch gefeiert und sich bedingungslos auf die Erfüllung 
verpflichtet. Es ist ja auch nicht unklug, aus der Not eine Tugend zu 
machen.
III: Die Ausgangslage in Wuppertal
Für 
uns dokumentieren die seit 2010 vorgelegten Sanierungsprogramme den 
Offenbarungseid der Ratsmehrheit für die Schuldenpolitik der letzten zehn 
Jahre.
Wenn der Haushalt jetzt mit diesen Maßnahmen konsolidiert werden 
kann, dann wäre dies auch in der Vergangenheit möglich gewesen. Im Gegenteil, 
die jetzt erforderlichen Spar- und Steuermaßnahmen sind wesentlich 
einschneidender als bei einer zeitnahen Konsolidierung.
Die Rechnung ist 
ganz einfach: Wenn ich ein strukturelles Defizit von 100 Mio. Euro im Haushalt 
habe, und das zehn Jahre lang fortschleppe, dann habe ich eine Milliarde 
Schulden. Und das Defizit bleibt nicht nur erhalten, sondern steigt sogar noch 
an, weil die Kreditzinsen hinzukommen. Selbst wenn ich nun das Defizit 
ausgleiche, dann habe ich immer noch die Schulden. Damit wird die Wuppertaler 
Situation genau beschrieben. Indem die Ratsmehrheit bis zuletzt eine 
substantielle Konsolidierung des Haushalts aus eigener Verantwortung 
ausgeschlossen hat, trifft sie eine wesentliche Mitverantwortung für den 
aktuellen Sanierungsbedarf.
IV. Das 
Sanierungskonzept
Bei Vorgesprächen hatten wir angeregt, eine 
Ratskommission aller Fraktionen einzurichten, die im Dialog mit der Verwaltung 
den Sanierungsplan hätte entwickeln können. Das wäre ein transparentes Verfahren 
gewesen, die Politik wäre von Anfang an beteiligt worden, ohne dass die 
politische Verantwortung der Mehrheit tangiert worden wäre. Diese Anregung wurde 
nicht weiter verfolgt. Stattdessen wurde von der Verwaltung ein fertig 
geschnürter Sanierungsplan vorgelegt, der faktisch bereits beschlossen war, weil 
er das vorherige o.k. der Mehrheitsfraktionen erhalten hatte.
Die IHK hat 
in ihrer Stellungnahme bereits darauf hingewiesen, dass die Einnahmeerhöhungen 
gegenüber Ausgabenkürzungen weit überwiegen. Die Bürger erfahren jetzt, dass sie 
in der Vergangenheit über die tatsächlichen Kosten der Verwaltungstätigkeit 
hinweggetäuscht wurden. Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Wie weit 
Sparpotentiale tatsächlich voll ausgeschöpft wurden, lässt der Sanierungsplan 
nicht erkennen.
Im gesamten Konsolidierungsprogramm fehlen übergreifende 
strukturelle Maßnahmen. Die Vorlage wirkt wie ein Scherenschnitt, an dem mit der 
Nagelschere an allen Ecken ein wenig oder ein bisschen mehr herumgeschnippelt 
wurde. Eine Überprüfung der Gesamtorganisation und der Verwaltungsabläufe ist 
unterblieben. Bei der Untersuchung externer Bereiche, der Stadthalle oder der 
Bühnen, hat man sich professioneller Beratung bedient. Davon hat man hier keinen 
Gebrauch gemacht. Externer Sachverstand war unerwünscht.
Vergeblich sucht 
man z. B. das Thema Outsourcing. Wie kann man Kosten sparen durch Fremdvergabe. 
Andere Städte haben das Vermessungsamt, übrigens eine freiwillige Leistung, 
weitgehend aufgelöst und vergeben die Arbeiten an Fachbetriebe, zum Vorteil für 
die Steuerzahler.
Für die Personalplanung wurde ein komplexes 
Kriterienraster entwickelt, das Objektivität belegen soll. Aber über die Auswahl 
der zahlreichen Kriterien und deren Gewichtung kommen so viele subjektive 
Einschätzungen ins Spiel, dass die Aussagekraft der Ergebnisse nicht beurteilt 
werden kann. Ungeklärt bleibt die Frage, das ist jetzt ein wichtiger Punkt, wie 
sich die Stellenkürzungen auf die Entgeltklassen verteilen: Wird der gesamte 
Stellenkegel proportional verkleinert, wird die Hierarchie abgeflacht oder 
werden einfach die niedrigen Entgeltgruppen gekappt. Von dieser Entscheidung 
hängt wesentlich ab, wie hoch die monetäre Ersparnis ausfällt, um die es 
letztlich geht.
Insgesamt bleibt der Sparanteil am Sanierungsprogramm ein 
hermetischer Block, eine Black Box, die sich dem Durchblick 
entzieht.
Grundsätzlich widersprechen wir der Einführung neuer 
Bagatellsteuern wie der Bettensteuer; wir hoffen dieses Mal auf Schützenhilfe 
durch die Justiz, die uns leider bei der Zweitwohnungsteuer im Stich gelassen 
hat.
Ebenfalls lehnen wir die zum Teil drastischen Erhöhungen der 
Hundesteuer ab. Hunde sind ja leider ein beliebtes Hassobjekt in der 
öffentlichen Diskussion. Da sieht sich die Politik bei Steuererhöhungen offenbar 
auf der sicheren Seite. Dabei sind es vor allem ältere Menschen und Familien mit 
Kindern, die Hunde halten, und die dort eine wichtige soziale, um nicht zu 
sagen, eine gesundheitliche Funktion haben. Die Konflikte entstehen unter 
anderem dadurch, dass es in der Stadt nur unzureichende Auslaufflächen für Hunde 
gibt, oder dass diese für sinnleere Zwecke konfisziert werden: siehe 
Scharpenacken. Ich könnte auch etwas zu den sog. Kampfhunden sagen, will das 
Thema aber nicht ausweiten. Nur zur Klarstellung: ich habe nie einen Hund 
besessen und ich habe auch nicht die Absicht, mir einen 
anzuschaffen.
V. Der Realismus des 
Sanierungsplans
Es bleiben zwei Fragen: 1. Wie realistisch ist 
die Erwartung, dass der Haushaltsausgleich mit den vorliegenden 
Sanierungsprogrammen erreicht werden kann? Und 2. Welche langfristigen 
Perspektiven eröffnet der Haushaltsausgleich für Wuppertal?
Zur ersten 
Frage: Wir halten den Erfolg dieses Programms für durchaus ungewiss. Auch hier 
verweisen wir auf die mahnenden Hinweise der IHK Wuppertal. Die Stadt hat seit 
langem nicht einmal ihren Verwaltungshaushalt ausgleichen können und musste 
Schulden machen. In Zukunft will die Stadt aber nicht nur den 
Verwaltungshaushalt konsolidieren, sondern sie will und muss Überschüsse von 30 
Mio. Euro und mehr im Jahr erzielen, um die Zinsen auf die Kassenkredite zu 
finanzieren. Aber die Versprechungen gehen ja noch weiter. Es wird sogar schon 
vom Einstieg in die Schuldentilgung phantasiert, für die ja weitere Überschüsse 
erforderlich wären. Man fühlt sich bei solchen Szenarien in eine völlig andere 
Stadt versetzt, in eine Stadt, die vor Finanz- und Wirtschaftskraft nicht mehr 
laufen kann. Leistungskürzungen und höhere Steuern sind mit Sicherheit keine 
Schritte in diese Zukunft. Zur Zeit kann die Stadt ja nicht einmal ihre Brücken 
in Ordnung halten. Sie schiebt vielmehr einen riesigen Investitionsstau vor sich 
her. 
Fußnote: Es mag sich aus der Logik des Stärkungspaktes ergeben, 
dass sich während seiner Laufzeit zwangsläufig geringe Schuldentilgungen 
ergeben. Schuldentilgungen aus eigener Kraft halten wir für völlig 
unrealistisch.
Die Verwaltungsvorlage hatte sich, auch das haben wir 
kritisiert, darauf beschränkt, die Haushaltsentwicklung allein anhand der 
Defizite abzubilden. Die Kommunalaufsicht hat nun darauf bestanden, die 
Entwicklung im Bruttoverfahren, anhand der Erträge und Aufwendungen 
darzustellen. Die Zahlen sind aufschlussreich. Danach steigen in den fünf Jahren 
von 2017 – 2021 die Aufwendungen um 46 Mio. Euro, pro Jahr also gerade einmal um 
9 Mio. Euro. Die Erträge erhöhen sich dagegen um sagenhafte 112 Mio. Euro, also 
um 22 Mio. Euro jährlich. Wo sollen derart rasante Einnahmesteigerungen auf 
einmal herkommen? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die 
Ausgaben klein- und die Einnahmen großgerechnet werden. Der 
Konsolidierungsprozess wird sicher noch unbequeme Überraschungen mit sich 
bringen. 
Zu den Zukunftsperspektiven: Vor dem Haushaltsausgleich steht 
erst einmal der Konsolidierungsprozess, der mit Ausgabenkürzungen und höheren 
Steuern und Preisen eine wirtschaftliche Belastung darstellt. Das lehren uns 
gerade die aktuellen Erfahrungen der südeuropäischen Länder. Auch der 
Haushaltsausgleich als solcher ist keineswegs die „Riesenzukunftschance“, als 
die er von der Ratsmehrheit hochgejubelt wird. Er ist lediglich die formale 
Bedingung für Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Er besagt, dass man nur 
das Geld ausgeben kann, was man eingenommen hat. Zu wirtschaftlichem Wohlstand 
führt allein die Steigerung der Wirtschaftskraft durch Modernisierung und 
zielgerichteten Strukturwandel. Und da vermissen wir seit langem überzeugende, 
strategische Konzepte. Das gegenwärtige Konjunkturhoch sollte über dieses 
Defizit nicht hinwegtäuschen.
VI. Das 
Ergebnis
Wir sehen den hohen Konsolidierungsbedarf im Haushalt 
der Stadt wesentlich verursacht durch die passive Hinnahme der Defizite durch 
die Ratsmehrheit, sowie durch das Fehlen einer wirtschaftlichen 
Zukunftsperspektive. Im vorgelegten Konsolidierungsprogramm wird das Gewicht zu 
stark auf die Einnahmeseite gelegt. Beim Konsolidierungsplan vermissen wir eine 
überzeugende konzeptionelle Handschrift. Die Erfolgschancen erscheinen uns 
ungesichert mit dem Risiko eines kumulativen wirtschaftlichen 
Schrumpfungsprozesses – Sparen erzeugt Schrumpfung, Schrumpfung erzwingt Sparen 
usw.
Auf der anderen Seite haben wir den Haushaltsausgleich jahrelang 
nachdrücklich gefordert, und wir halten ihn für zwingend erforderlich. Zur 
Abstimmung steht nur dieses Konzept, für das die Ratsmehrheit die Verantwortung 
trägt. Hinzu kommt, die durch das Land erzeugte juristische Zwangslage. Eine 
Ablehnung halten wir unter diesen Umständen politisch nicht für vertretbar. Wir 
werden uns deshalb beim Sanierungsplan und beim Doppelhaushalt enthalten.