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Ein Weltökonom aus Elberfeld:

Sir Hans Singer wieder entdeckt. Ein Wuppertaler im britischen Oberhaus: Mit 22 emigriert, jetzt wird er 94: Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Hans W. Singer

Ein Weltökonom aus Elberfeld:
Sir Hans Singer wieder entdeckt
Ein Wuppertaler im britischen Oberhaus: Mit 22 emigriert, jetzt wird er 94

Der in Elberfeld geborene Weltökonom Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Hans W. Singer, seit seiner Erhebung in den Adelsstand durch die britische Königin Sir Hans Singer, wird in seiner Heimatstadt wieder entdeckt! Der berühmte Wirtschaftswissenschaftler, der mit 22 vor den Nazis flüchtete, wird am Montag (29. November) 94 Jahre alt. Er lebt in einem Altenheim in Sussex. Der emeritierte Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Günter Schiller hat sich mit Sir Hans beschäftigt, einer faszinierenden Persönlichkeit mit einer ebenso faszinierenden persönlichen Geschichte. Seit seiner Emigration 1933 war er nur ein einziges Mal wieder in Wuppertal, nämlich 1984 auf Einladung des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Bergischen Universität.

Hans Wolfgang Singer wurde 1910 als erster Sohn des jüdischen Arztes Heinrich Singer und seiner Frau Antonia in Elberfeld geboren. Die Familie wohnte in der damaligen Bahnstraße 15 (heute Hoeftstraße). Hans besuchte das Humanistische Gymnasium Elberfeld (heute Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium); die Familie gehörte zum liberalen Judentum.

Mit 19 ging Hans Singer nach Bonn, um dort Medizin zu studieren. Durch Gespräche mit Kommilitonen neugierig geworden, mogelte er sich aber in einige Vorlesungen des österreichischen Nationalökonomen Prof. Joseph Alois Schumpeter, der wegen seines mitreißenden Vortragsstils, seines enzyklopädischen Wissens und seiner Lebensart in Bonn Furore machte. Kurz entschlossen wechselte Singer zur Volkswirtschaftslehre und damit zu dem bedeutendsten deutschsprachigen Ökonomen des 20 Jahrhunderts. 1931, also mit 21 (!) begann er mit seiner Dissertation über städtischen Wohnungsbau und Grundstückspreise. 1932 ging Prof. Schumpeter in die USA an die schon damals herausragende Harvard-Universität.

Hans Vater hatte am 1. Weltkrieg teilgenommen und war mit ruinierter Gesundheit zurückgekehrt. 1933 wurde er in einem dubiosen Prozess von den Nazis zu eineinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Aufgrund seines schweren Herzleidens war er eigentlich nicht haftfähig und starb er noch im selben Jahr in Münster im Gefängnis. Die Mutter überlebte die Nazizeit und starb 1949.

Hans Singer, damals 22 Jahre alt, verließ Deutschland 1933 und versuchte, in der Türkei Fuß zu fassen, wo viele hochkarätige deutsche Wissenschaftler Asyl gefunden hatten. In Istanbul erreichte ihn die glückliche Nachricht, dass ihm – durch Vermittlung Schumpeters - ein Stipendium am King's College der berühmten englischen Universität Cambridge angeboten werde. Cambridge war seinerzeit das Mekka der Nationalökonomie überhaupt. Dort lehrte der berühmte und auch in Deutschland populäre Nationalökonom Prof. John Maynard Keynes. Auf der Reise von Istanbul nach England machte Singer einen kurzen, nicht ungefährlichen Stop in Hildesheim und heiratete innerhalb von drei Tagen Ilse Lina Praut, Tochter eines Bankiers, die er in seiner Bonner Studentenzeit kennen gelernt hatte.

Im King's College schlugen gerade die Wogen der wissenschaftlichen Diskussion hoch: Singer erlebte erregte Diskussionen um die bevorstehende Publikation von Keynes' Meisterwerk der "Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes", das der Wirtschaftspolitik der nächsten 50 Jahre international die Blaupause liefern sollte. Hans promovierte mit seiner noch in Deutschland begonnenen Dissertation 1936. Es war erst der dritte PhD, den die Universität Cambridge im Fach Ökonomie vergab.

Ein anglo-amerikanisches sprachliches Missverständnis, meinte Singer später selbst-ironisch, hätte zur Folge gehabt, dass er in den vierziger Jahren zum Mitbegründer einer neuen ökonomischen Teildisziplin avancierte, den "Development Economics": Weil Singer in England einige Zeit im Ministerium für Stadt- und Regionalplanung gearbeitet hatte, hätten die neu gegründeten Vereinten Nationen in ihm einen Experten für Entwicklungsplanung vermutet und ihm 1947 eine solche Stelle angeboten.

Schon bei seiner ersten Aufgabe stieß er bei den UN auf ein Problem, das seiner Meinung nach die Unterentwicklung maßgeblich mitbestimmte und verstärkte. In empirischen Untersuchungen wies er nach, dass sich die Austauschverhältnisse zwischen den Exporten der Entwicklungsländer (landwirtschaftliche Produkte) und denen der entwickelten Staaten (Industriegüter) systematisch zum Nachteil der Entwicklungsländer veränderten: Für einen Mittelklassewagen müssen die Entwicklungsländer ständig steigende Mengen Kaffee bezahlen; der Kaffeepreis bleibt konstant, während die Autopreise steigen.

Die "Prebisch-Singer-These" – der argentinische Ökonom Raul Prebisch (1901-1985), zeitweise Generalsekretär der UN-Konferenz für Welthandel und Entwicklung, war unabhängig von Singer auf diese Regel gestoßen - bildete für die nächsten drei Jahrzehnte die Basis der internationalen Entwicklungspolitik von Weltbank und UN: Nicht Spezialisierung auf Agrarprodukte, sondern nur der Aufbau einer eigenen Industrie könne den Entwicklungsländern zu mehr Wohlstand verhelfen. Da jedoch ihre Industrieprodukte zumindest in der Aufbauphase auf dem Weltmarkt qualitativ und preislich nicht wettbewerbsfähig seien, könnten sie nur auf dem Inlandsmarkt abgesetzt werden. Importe aus den Industrieländern müssten deshalb für eine Übergangszeit mit hohen Schutzzöllen abgewehrt werden ("Importsubstitutionspolitik"). Die "Prebisch-Singer-These" gilt bis in die Gegenwart als zutreffend; allerdings ist die Industrialisierung der Entwicklungsländer heute von Anbeginn an mit einer stärkeren Exportorientierung verbunden.

1969 verließ Singer die UN und ging an das gerade gegründete Institute of Development Studies der Universität Sussex. Gleichzeitig wurde er Professor an der University of Sussex. In vielen Funktionen setzte er seine fruchtbare Arbeit fort. Dabei galt seine Sorge den Armen dieser Welt, den Kindern und Hungernden, und der Frage, welche Institutionen notwendig sind, um deren Lebenslage zu verbessern.

In den achtziger Jahren traf der verstorbene Wuppertaler Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Biervert den berühmten britischen Kollegen auf einer internationalen Konferenz. Prof. Singer hatte Deutschland nach dem Krieg gemieden. Er erklärte sich jedoch bereit, eine Einladung des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Bergischen Universität anzunehmen und Vorträge vor Studenten zu halten. Singers Wuppertaler Wiederentdecker Prof. Schiller erinnert sich 20 Jahre später: "Es war für beide Seiten eine bewegende Begegnung." Singer sah, was er natürlich wusste, dass nämlich auch das Geburtshaus und die Umgebung seiner Kindheit nicht mehr existierten.

1994 wurde Hans Singer von Königin Elisabeth II. in den Adelsstand erhoben und war seither auch geborenes Mitglied des Britischen Oberhauses. Singer erhielt die Ehrendoktorwürden von sieben Universitäten in aller Welt. Am 20. Juli 2004 verlieh ihm die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Freiburg aus Anlass des 60. Jahrestages des 20. Juli 1944 die erste Ehrenbürgerwürde einer deutschen Universität. Nach 67jähriger Ehe, aus der zwei Söhne hervorgingen, starb seine Frau Ilse Lina im März 2001.

Am Montag, 29. November 2004, wird Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Sir Hans W. Singer 94 Jahre alt.

Weitere Informationen über Sir Hans Singer (in englischer Sprache) unter
http://blds.ids.ac.uk/blds/archive/singer.html

Den Artikel von Prof. Dr. Günter Schiller über Sir Hans Singer finden Sie hier.

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